
Einzig der Verlauf von Schlüsselstraße und Breisacher Straße weisen in der Zähringerstadt Neuenburg noch auf den mittelalterlichen Stadtgrundriss hin. Mittelalterliche Fassaden findet man vergebens, dafür haben über Jahrhunderte nicht nur Hochwasserkatastrophen sondern auch immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen gesorgt. Das die Stadt immer wieder auf dem Schutt neu aufgebaut wurde, hat aus denkmalschützerischer Sicht auch den Vorteil, dass die Fundamente der mittelalterlichen Stadt erhalten blieben. Diese schlummern nur circa zwei Meter tief in der Erde verborgen.

Die geplante Neugestaltung des Areals zwischen Schlüssel- und Metzgerstraße bietet nun die Gelegenheit für eine Zeitreise ins Mittelalter. Seit Mitte Mai finden hier archäologische Ausgrabungen statt. Diese Woche präsentierten Dr. Bertram Jenisch vom Landesdenkmalamt, Grabungsleiter Stefan Kaltwasser und Neuenburgs Bürgermeister Joachim Schuster auf der Grabungsstelle die ersten Funde und Erlebnisse.

„Das mittelalterliche Neuenburg ist fast zu 100 Prozent erhalten, aber alles zwei Meter unter der Erde“, sagt Dr. Bertram Jenisch. Die mittelalterliche Stadt ist von den Fundamentstrukturen fast vollständig erhalten. Die auf dem Areal zwischen Schlüssel- und Metzgerstraße gefundenen Mauerreste reichten vom Zeithorizont bis in die Zeit der Stadtentstehung um das Jahr 1200. Es handele sich dabei um die älsteste bislang in Neuenburg bekannte Steinbebauung.
„Wenn die Leute die finanziellen Möglichkeiten hatten, haben sie aus Brandschutzgründen aus Stein gebaut“, erklärte Jenisch. Gefunden wurden auch Baustrukturen, die auf Fachwerkhäuser aus dem zwölften Jahrhundert hindeuten. Jenisch geht davon aus, dass in der ersten Phase der Stadtgründung zunächst Fachwerkhäuser an der Straße gebaut wurden.

Woher wissen die Archäologen wie alt die Mauern sind? „Wir können die Baustrukturen über Keramikfunde zeitlich fassen“, erklärt Jenisch und Grabungsleiter Stefan Kaltwasser zeigt Reste von Gebrauchskeramik die in der Baugrube gefunden wurde. Die schwarze Färbung und die Runde Form deuteten auf das Hochmittelalter um das Jahr 1200 hin, erklärte Kaltwasser. Zuvor hätten die Tongefäße eher eine rötliche Terrakotta-Farbe. Im 13. Jahrhundert wären die Gefäße entsprechend der damaligen Mode eher eckig als rund.
Gefunden wurde in einem Anbau auch ein mittelalterlicher Backofen. Dieser wird von den Archäologen allerdings auf Mitte des 14. Jahrhunderts datiert. Die Datierung ermöglichte der Fund von Scherben eines Weinglases aus dem 14. Jahrhundert, eines so genannten Schaffhauser Bechers, der – so vermutet Jenisch – offensichtlich aus Schwarzwälder Produktion stammt. Ähnliche Becher habe man beispielsweise bei einer Glasmacherei bei Schopfheim-Gersbach gefunden.

Der Backofen habe womöglich zu einer Bäckerei oder auch zu einem Gasthaus gehört. „Der Backofen ist für ein normales Wohnhaus zu groß“, sagte Jenisch.
Direkt nebenan hat sich möglicherweise ein metallverarbeitender Betrieb, vielleicht eine Schmiede befunden. Darauf deutete der gefundene Teil eines Mörsers hin, in dem vermutlich Metallerze gepocht wurden.

Jenisch geht davon aus, dass sich hier an der Schlüsselstraße Handwerker angesiedelt hätten. Diese sei so etwas wie „Geschäftslage 1a im Mittelalter“ gewesen. „Neuenburg war das Markt- und Produktionszentrum für das Umland“.

Literaturtipp: Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg Bd. 27: Neuenburg am Rhein
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.